SAG AN! – Jugendbefragung im Bistum Münster

Die Akteur*innen im Feld der Jugendpastoral haben den Auftrag junge Menschen auf ihrem Lebensweg zu begleiten. Dabei ist es zu wenig Angebote bereitzustellen, die junge Menschen nutzen (sollen). Es ist zu wenig, wenn Kirche an der Jugend handelt. Vielmehr geht es um Begegnungen auf Augenhöhe – um Begleitung, um ehrliches Interesse, Nachfragen und Hinhören. Mit dem Sag an-Projekt haben sich der BDKJ Diözese Münster und die Fachstelle Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene des Bistums Münster auf Initiative des Bischofs auf den Weg gemacht und eine digitale Umfrage gestartet. Dabei wollte man von jungen Menschen wissen, was sie glücklich und traurig macht, wann sie Angst haben und ob die Kirche sie in diesen Momenten unterstützen kann. Bei diesem Projekt ging es nie darum statistische Umfrageergebnisse zu erhalten. Im Bistum Münster war und ist man neugierig und gespannt auf die Lebensgeschichten junger Menschen. Ihre Geschichten, ihre Aussagen sollen Orientierung geben für jugendpastorales Handeln. Dies wird auch deutlich im Zitat von Bischof Felix Genn: „Ich wünsche mir eine Jugendpastoral, die die Lebensthemen junger Menschen ernst nimmt und sich von ihnen leiten lässt.“ In der Jugendpastoral tätige Menschen haben die Aussagen der jungen Menschen ausgewertet und eingeordnet. Auf diese Auswertung schaut im nachfolgenden Interview Pfr. Erik Pühringer, Trägervertreter in der Offenen Kinder- und Jugendarbeit Mechernich und Vorstandsmitglied der LAG Kath. OKJA NRW. Die Fragen stellte Andrea Heinz. Das Interview erfolgte im Dreischritt der jugendpastoralen Leitlinien „Wahrnehmen, Interpretieren, Wählen“.

 

Wahrnehmen

Wenn du die Aussagen der Interpretierenden der Jugendbefragung „Sag an“ im Bistum Münster anschaust, was ist dir aufgefallen?

Auffällig ist für mich, dass die OKJA in den Aussagen der verschiedensten Interpretierenden nicht auftaucht, obwohl sie häufig ganz typische Aufgabenfelder der Jugendarbeit gemäß den Leitlinien zur Jugendpastoral der deutschen Bischofskonferenz benennen, die typisch für die OKJA sind und in ihren Einrichtungen verwirklicht werden.

Gibt es Aussagen, die dich erstaunt haben?

Überrascht hat mich der Diözesanjugendseelsorger Ralf Meyer mit seiner Idee des Jugenddiözesanrats und seiner Positionierung, dass in pastoralen Raum pro Gemeinde mindestens ein Jugendraum als Offene Tür Begegnungsmöglichkeiten bieten soll. Beides finde ich eine gute Idee, Jugendlichen Raum und Gestaltungsmöglichkeit in der kirchlichen Struktur zu geben, allerdings sind bei ihm im Jugenddiözesanrat viel zu viele Hauptamtliche und zu wenige Jugendliche vertreten. Ebenfalls sollte der Jugenddiözesanrat niederschwellig genug sein, damit sich auch Jugendliche aus der OKJA dort verorten können.

Was sind die am häufigsten genannten Anforderungen an eine Jugendpastoral?

Sehr viele Interpretierende kommen zum Schluss, dass die Jugendlichen offene und sichere Räume zum Austausch brauchen, Gestaltungsspielräume und Mitsprachemöglichkeiten in der Kirche benötigen, sowie ein verlässliches personelles Gegenüber in Form von Fachkräften den Jugendlichen Begegnungen und das Gefühl des Angenommen-Seins und der Zugehörigkeit ermöglichen.

 

Interpretieren

Wo ist dir in den Aussagen der Interpretatoren ein typisches Aufgabenfeld der Jugendpastoral aufgefallen, dass die OKJA bedienen könnte?

Wenn der Diözesanjugendseelsorger Ralf Meyer von einer „Zukunftswerkstatt“ oder einer „Wohngemeinschaft für Suchende“ spricht, frage ich mich, ob das eine Einrichtung der OKJA den Jugendlichen genau das nicht anfanghaft bietet. Seine Idee des „Pausenangebots mit einem Wohnmobil auf dem Schulhof als Anlaufstelle“ gibt es an anderen Orten schon als ein mobiles Angebot der OKJA. „Zweckfreie Begegnungs- und Ermöglichungsorte“, wie sie der geistliche Leiter und pastorale Mitarbeiter Jakob Rauschel beschreibt, sind schon heute die Einrichtungen der OKJA. Sie bieten den jungen Besuchenden den „Raum zur Selbstpositionierung und Erforschung des eigenen Glaubens zugleich, mit gemeinsamem öffentlichem Wirken in die Gesellschaft“, wie sie Julian Lagemann als Empfehlung für die Jugendpastoral formuliert.

 

Wählen

Wenn Kirche sich an den in den Aussagen der Interpretatoren formulierten Bedürfnissen junger Menschen orientiert, wie kann OKJA als ein jugendpastorale Handlungsfeld dann auf junge Menschen zugehen?

Ich glaube, dass die OKJA abgesehen von ihren mobilen Angeboten, nicht auf junge Menschen zugehen kann. Sie ist und versteht sich als ein offenes Angebot, das junge Menschen für sich nutzen können, wenn sie es wollen. Das entbindet aber die OKJA nicht von der Aufgabe, sich in die Öffentlichkeit zu bringen und sich und ihr Handeln bekannt zu machen, damit junge Menschen sie besuchen und für sich entdecken können. Hierzu ist eine Mobilität besonders im ländlichen Raum mehr als sinnvoll. Aber auch im städtischen Kontext ist die Idee des „Pausenangebots“ eine gute Möglichkeit, die OKJA und ihre Angebote und die durch sie eröffneten Gestaltungsräume kennenzulernen.

Und was heißt das für die OKJA mit Blick auf die Kirche?

Wenn in den Aussagen der Interpretierenden, die pastoral in der Kirche tätig sind, die OKJA nicht auftaucht, dann zeigt das für mich, dass die Mitarbeitenden in den Einrichtungen der OKJA ihre Einrichtung und ihre Arbeit noch viel intensiver in die binnenkirchlichen Kreise einbringen müssen. Dabei sollten sich die Mitarbeitenden in der OKJA bewusst sein, dass sie in ihrem Arbeitsalltag eine Vielzahl der Aufgabenfelder der Jugendarbeit gemäß den Leitlinien zur Jugendpastoral der deutschen Bischofskonferenz schon jetzt erfüllen. Mit diesem Wissen können die Mitarbeitenden der OKJA in pastoralen Gremien und gegenüber den Finanzgeber ihre tägliche Arbeit leicht und gut als exemplarisches jugendpastorale Handel darstellen. Und da wir Menschen ja gerne und schnell vergessen, was nicht unseren Alltag bestimmt, empfehle ich am Anfang eine jährliche, später vielleicht eine zweijährige Berichterstattung verbunden mit einem Jahresbericht, der häufig für die Diözese oder das Jugendamt zu erstellen ist.

 

Fazit

Ich denke „das im Blick behalten der OKJA“ sollte nicht alleine Aufgabe der Mitarbeitenden in den Einrichtungen sein. Gleichermaßen müssen pastorale Mitarbeitende bereits in der Ausbildung, aber auch im Berufsleben immer wieder dafür sensibilisiert werden alle Handlungsfelder der Jugendpastoral im Blick zu haben. Was heißt das für das zukünftige Handeln der OKJA

 

Drei Dinge sind für mich wichtig, damit die OKJA als wichtiger Bestandteil der Jugendpastoral gesehen werden kann.

  • Die Mitarbeitenden in den Einrichtungen der OKJA sollten um die Aufgabenfelder der Jugendpastoral in den neuen Leitlinien und um die Nennung der OKJA als jugendpastorales Handlungsfeld in ihnen wissen. Sie sollten sich aktiv in die Gremien der Kirche vor Ort und in die Aktivitäten der Gemeinde einbringen und ihre Arbeit und die Möglichkeiten der OKJA regelmäßig vorstellen. Ferner sollten sie öffentlichkeitswirksam vor allem da agieren, wo sie Kinder und Jugendliche, aber auch Eltern und Lehrkräfte erreichen können.

 

  • Die pastoral Verantwortlichen ihrerseits sollten die Einrichtungen der OKJA mit ihren Möglichkeiten für sich und ihre pastorale Arbeit entdecken, regelmäßige Kontakte pflegen und die Einrichtungen der OKJA besuchen sowie Unterstützungsangebote für die Mitarbeitenden machen. Gemeinsam gilt es Formen der Zusammenarbeit zwischen Pfarrgemeinde und OKJA zu entwickeln.

 

  • Der Träger der OKJA-Einrichtung sollte mit dafür Sorge tragen, dass regelmäßige Berichte in den Gremien die Arbeit transparent machen. Regelmäßige Dienstgespräche oder eine Einbindung der Mitarbeiter der OKJA in das pastorale Team sollten grundsätzlich die Regel sein.

 

Das Zusammenspiel Träger, pastoral Hauptamtliche und Mitarbeitende in der OKJA sollte möglichst gut ausgeprägt und ein Miteinander zum Wohl der jungen Menschen sein. Die Umsetzung ist für alle Beteiligten anfangs zeitaufreibend und alles andere als einfach, doch wenn es einmal geschafft ist, gelingt es danach fast wie von alleine.

 

Was brauchen aus deiner Sicht die Mitarbeitenden, um jugendpastorales Handeln im Alltag der OKJA zu leben?

Für mich brauchen die Mitarbeitenden in den Einrichtungen der OKJA eine ordentliche Portion Mut. Mut, um sich der Herausforderung zu stellen, die Aufgabenfelder der Jugendpastoral in den Leitlinien zu lesen und auf ihre Arbeit zu deuten. Mut, um die pastoral Hauptamtlichen aufzufordern, einen regelmäßigen Kontakt zur Einrichtung der OKJA, zu den jungen Menschen in ihr und zu den Mitarbeitern aufzubauen und zu pflegen. Mut, um eine Begleitung und Beratung in theologischen Fragen und Themen durch die pastoral Hauptamtlichen einzufordern. Und vor allem Mut, ständig Neues auszuprobieren – besser gesagt, Mut, den Kindern und Jugendlichen immer wieder neu Räume zur Gestaltung zu ermöglichen und sie zu begleiten.

 

Könnten die Erfahrungen der OKJA ein Anhaltspunkt für andere jugendpastorale Felder sein?

Wenn das Miteinander von Träger, Mitarbeitenden und pastoralen Mitarbeitenden gelingt und OKJA einen festen Platz in Kirche hat und in den Gremien vorkommt, dann können andere jugendpastorale Felder von den Erfahrungen der OKJA profitieren und umgekehrt. Die unterschiedlichen jugendpastoralen Handlungsfelder könnten sich gegenseitig bereichern und ergänzen und so den jungen Menschen ein vielfältiges, vielseitiges und bereicherndes Angebot ermöglichen.

 

Und was gilt es der Kirche, also Trägern und pastoral Verantwortlichen ins Stammbuch zu schreiben?

Auch sie sollten die Leitlinien zur Jugendpastoral lesen, die OKJA, als eines der in ihnen benannten 15 Handlungfelder, anerkennen und sich mit ihr befassen. Dann können sie entdecken, wie viele Aufgaben der Leitlinien die OKJA in ihrer Arbeit verwirklicht und wie wichtig und bereichernd ihre Einrichtungen für junge Menschen, das kirchliche Leben und die Jugendpastoral sein können und sind.

 

 

Bildquellen

  • sagan-bischof1: https://www.sagan-geschichten.de/presse/

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