Der Forschungsverbund „Kindheit – Jugend – Familie in der CoronaZeit“ hat bereits im Frühjahr 2020 eine erste Befragung an Jugendlichen darüber durchgeführt, wie sie den damals ersten Lockdown erleben, welche Konsequenzen dieser für ihren Alltag hat und mit welchen Sorgen sie auf ihr persönliches Leben und die gesellschaftliche Entwicklung blicken. Die Ergebnisse dieser ersten Befragung haben wir damals ebenfalls auf unserer Homepage veröffentlicht (siehe hier).
Nachdem bereits die erste Befragung ergeben hatte, dass sich Jugendliche wenig beachtet gefühlt, sich häufig auf ihre Rolle als Schüler:in reduziert gefühlt und sich nicht an Corona bedingten Entscheidungsprozessen beteiligt gefühlt haben, nahmen die Forscher:innen die sich entwickelnde zweite Infektionswelle im Herbst zum Anlass eine erneute Befragung durchzuführen. Die Befragung wurde vor dem 2.Lockdown und somit zu einem Zeitpunkt durchgeführt als die Schulen noch geöffnet waren und die Ausübung mancher Hobbies noch möglich war.
Um eine bessere Vergleichbarkeit zu erhalten, wurden Inhalte aus dem ersten Fragebogen übernommen und auch die Möglichkeit zur Freitextantwort wurde erneut rege genutzt. Innerhalb des zweiwöchigen Befragungszeitraums sind 7.000 Fragebögen beim Forschungsteam eingegangen mit über 1400 Freitextantworten.
Teilgenommen haben zu 60% Personen zwischen 15 und 19 Jahren. Zwei Drittel aller Befragten waren junge Frauen.
Die hier vorliegenden Ergebnisse geben einen ersten Überblick über die Befragung.
Blick in die Zukunft
Besonders diejenigen, die an einem institutionellen Übergang stehen und solche, die bereits vor der Pandemie eingeschränkt und benachteiligt waren, blicken sorgenvoll in die Zukunft. So stimmen über 45% der Befragten eher oder voll der Aussage zu Angst vor der Zukunft zu haben.
Blick auf die Coronaschutz-Maßnahmen
Trotz der eigenen Zukunftsängste zeigen die Befragten aber eine hohe Akzeptanz mit den Hygienemaßnahmen. Es zeigen etwa 61% (volle) Zustimmung zu den Hygienemaßnahmen, nur 12 % halten diese für nicht sinnvoll. Die Akzeptanz zu den durch die Politik getroffenen Maßnahmen zur Eindämmung der Corona Pandemie ist unter den Befragten also hoch.
Soziale Beziehungen und Freizeit: Es fehlen persönliche Kontakte
Über ein Drittel gibt im Fragebogen an, dass sie sich in der aktuellen Situation einsam fühlen. Das sind knapp 2500 junge Menschen, die stark unter den Einschränkungen leiden.
Besonders das Bedürfnis nach gemeinsamen Erlebnissen hat in der öffentlichen Diskussion um die Corona bedingten Einschränkungen kaum Raum und wird eher negativ ausgelegt. Dadurch werden die psycho-sozialen Folgen der biographisch wichtigen Selbsterkundung im Jugendalter und der stark ausgebremsten gesellschaftlichen Positionierung ausgeblendet.
Die Einschränkungen haben Auswirkungen auf das Verhalten der Befragten. Fast die Hälfte der Befragten gibt an sich viel seltener mit Freund:innen zu treffen als vor der Pandemie. Ein knappes Drittel trifft sich etwas seltener. Das sind insgesamt über 80%, die ihre Kontakte maßgeblich einschränken. Die sozialen Begegnungen mit Gleichaltrigen gehören damit sehr viel weniger zum Alltag junger Menschen als vor Beginn der Pandemie.
Weiter geben etwa 70% einen erheblichen Bedarf an, ihren Hobbies wie gewohnt nachgehen zu können. Das sei derzeit nicht möglich, fehle ihnen aber.
Gehört und einbezogen werden
Bereits die erste Befragung aus dem Frühjahr 2020 hatte zum Ergebnis, dass ein großer Teil der jungen Menschen den Eindruck hat nicht gehört und mit ihren Rechten und Interessen berücksichtigt zu werden. Dieser Befund hat sich in dieser zweiten Befragung 2 noch verstärkt. So haben knapp 60% den Eindruck, die Situation junger Menschen sei Politiker:innen nicht wichtig und fast 65% haben eher nicht oder sogar gar nicht den Eindruck, dass die Sorgen junger Menschen in der Politik gehört werden.
Die jungen Menschen können sich also nicht sicher sein, an politischen Entscheidungen und gesellschaftlichen Gestaltungsprozessen beteiligt zu werden. Sie kritisieren die Umsetzung der Hygienemaßnahmen (auf Schulen bezogen), ihre fehlende Beteiligung an deren Konkretisierungen sowie im Vergleich zum Bereich Schule die viel geringere Bedeutung, die ihren übrigen Lebensbereichen und Aktivitäten beigemessen werden. Das Offenhalten der Schulen (die Befragung fand vor dem 2.Lockdown statt) ist eine ambivalente Botschaft an die Jugendlichen, dass sie -wie im Frühjahr- ausschließlich in ihrer Rolle als Schüler:in funktionieren sollen. Alle anderen Angebote stehen entweder nicht, sehr eingeschränkt oder nur digital zur Verfügung.
Jugendalltag 2020 – Folgen erkennen
Aus den Angaben der Befragten wird deutlich, dass es für junge Menschen kein Sprachrohr gibt, dass ihre persönlichen Erfahrungen und Folgen der Pandemie also nicht gehört oder gar weitergetragen werden. Die Wissenschaftler:innen sprechen sich deswegen eindringlich dafür aus, dass Möglichkeiten einer breiten Jugendbeteiligung besonders jetzt auf unterschiedlichen Ebenen verankert werden müssen. Junge Menschen müssen in Gremien und im politischen Alltag viel stärker involviert werden und ihre Mitbestimmung auch in der Ausgestaltung der Corona-Maßnahmen in Betrieben, Schulen und Universitäten ist pro-aktiv zu fördern.
Zudem zeigt die Befragung, dass sich seit Beginn der Pandemie junge Menschen weniger in unterschiedlichen Kontexten bewegen. Die Folgen, die sich inzwischen zeigen, werden aber im öffentlichen Raum kaum wahrgenommen oder diskutiert.
Das Wegfallen von sozialen Räumen mit Peers verändert den Jugendalltag grundlegend. Es nimmt den jungen Menschen auch alltäglich Bewältigungsmöglichkeiten, die für den psycho-sozialen Ausgleich in dieser Lebensphase zentral sind.
Ausblick 2021
Die Wissenschaftler:innen des Forschungsverbundes distanzieren sich von dem Begriff „Corona-Generation“, da diese Einschätzung zum einen für ein fatalistisches Signal an junge Menschen ist und zum anderen spricht diese Einschätzung jungen Menschen die Kompetenz der aktiven Gestalter:innen der ihrer Umwelt sowie die Rolle als gesellschaftliche Akteur:innen in der Bewältigung der Corona Krise ab.
Junge Menschen haben eigene Erfahrungen und Positionen mit und in unserer Gesellschaft – diese Haltung einzunehmen, heißt junge Menschen nicht länger zu ignorieren, ihre Stimmen hörbar und ihre Ideen sichtbar zu machen.
Titelbild: Chase Clark / Unsplash